Durchgang.

Forschungsreiseprogramm

Es können mit den von DFG zur Verfügung gestellten Reisemitteln intensive Feldforschungen vor allem in Deutschland, Frankreich und den USA betrieben werden. Ziele sind u.a. Paris, London (Zwischenstopp), New York, Minneapolis, Los Angeles, Las Vegas und San Francisco.

Deutschland

Grundsätzlich hält der Projektort Frankfurt am Main selbst erforschungswürdige Gegenstände bereit. Denn die Mainmetropole stellt doch die wohl einzige sich offensiv als global city verstehenden Stadt Deutschlands dar. Eine entsprechend hohe Dynamik und eine Vielzahl transitorischer Orte sind ihr Kennzeichen. Womöglich lässt sich die Mainmetropole, als Stadt mit der höchsten Bevölkerungsfluktuation in Deutschland, wohl in Gänze treffend selbst als transitorischer Ort bezeichnen. Als Verdichtungspunkte dieses transitorischen Grundcharakters stechen der Frankfurter Hauptbahnhof, eine Vielzahl moderner oder aktueller Shopping Malls/‚Galerien‘ und der internationale Flughafen mit großer Stadtnähe hervor.

New York

Ein systematischer Vergleich mit zeitgenössischen Monumenten in anderen Metropolen der westlichen Welt ist aber dringend geboten. Nur so kann man ein breiteres Tableau der geschichtlichen und aktuellen Rollen dieser infrastrukturellen Nadelöhre und kommerziellen ‚heißen Zonen‘ zeichnen. Hier bietet sich zunächst der Blick nach Paris an. Dort mündeten die aus allen Ecken des Hexagons auf die Kapitale zulaufenden lignes ferroviaires ab den 1840er Jahren am Rande der damaligen Kernstadt in Kopfbahnhöfen (gare Saint Lazare, gare du Nord, gare de l’Est, gare de Lyon, gare d‘Austerlitz und gare Montparnasse). Bis heute sind diese ursprünglich durch den chemin de fer de petite ceinture (ab 1852) verbundenen Stationen immer wieder modernisiert worden. Vor Ort sind neben dem Objektstudium Gespräche mit Verantwortlichen der Abteilung Gares & Connexions der französischen Eisenbahngesellschaft SNCF zu führen, die für die Pflege, Revitalisierung und Nutzung dieses patrimoine ferroviaire zuständig sind.

Die konstruktiv, aber vor allem auch im Hinblick auf ihren transitorischen Charakter verwandten Passages couvertes, die ab den 1820er Jahren als konsumistische Zwischenräume und spekulative Projekte mehrheitlich in der Nähe des Palais Royal oder der Grands Boulevards entstanden, sind ebenfalls zu begehen und zu dokumentieren. Dabei sind auch ihre wechselvollen Biographien, Umnutzungen und sehr individuellen Revalorisierungen zu berücksichtigen. Auch hier sind Interviews durchzuführen, und zwar mit Ansprechpartnern der seit 1999 bestehenden Association Passages et Galeries, die sich der Erforschung, dem Schutz und der Revitalisierung dieses architektonischen Erbes verschrieben hat.

Ein weiterer unumgänglicher Ansatzpunkt für Vergleiche ist einer der bekanntesten, vielfach in Film und Literatur verewigten Bahnhöfe der westlichen Hemisphäre: der 1913 in seiner heute im Wesentlichen noch bestehenden Gestalt eingeweihte Grand Central Terminal in New York. Auf dem Weg in die Ostküstenmetropole wären aber zunächst die aussagekräftigen Terminalarchitekturen des größten europäischen Airports, London Heathrow, zu erkunden, der sich architektonisch seit schon über eineinhalb Dekaden in atemberaubenden Tempo ‚häutet‘. Vor allem die neueren Terminals 2 und 5 sind auf die Frage nach einer zeitgemäßen, für ‚international hubs‘ charakteristischen Monumentalität des Ephemeren hin zu befragen.

Welche Entwicklungsschritte hier trotz typlogischer Anleihen vorliegen, soll der anschließende Blick auf einen mustergültigen Bahnhof der neuen Welt, Grand Central, verdeutlichen. Er ist in seiner technischen Ingeniösität, seinen kolossalen Ausmaßen, seinen immensen Passagierzahlen und seiner ein ganzes Viertel prägenden Kraft ein Musterbeispiel für die historischen Infrastrukturmonumente der sich schnell urbanisierenden Neuen Welt. An Grand Central lässt sich zudem nachvollziehen, wie Infrastrukturlösungen in hochverdichteten Metropolen die Dimension und Anmutung von Sakralbauten annehmen, aber schritt- bzw. schichtweise auch immer mehr den Untergrund erschließen. Anschaulich wird auch, welchem Druck sie in einer sich in immer wieder kürzeren Zyklen erneuernden Stadtlandschaft ausgesetzt waren. Um diese Aspekte zu beleuchten, ist auch das New York Transit Museum zu besuchen. Diese Institution wahrt, erforscht und promotet das lokale Erbe an öffentlicher Verkehrsinfrastruktur.

In New York ist auch der 1962 eingeweihte TWA-Terminal Eero Saarinens zu besichtigen. Er ist seit 1994/2005 ebenfalls als Denkmal von urbaner bzw. nationaler Bedeutung kanonisiert. Hier ist die zugleich archaische wie futuristische Metaphorik zu studieren, mit der das Düsenjetzeitalter eingeleitet wurde – mitsamt ihrem Altern und aktuellen Neunutzungsdebatten. Vergleiche dieses plastischen Statements zum technoiden Aéroport Charles de Gaulles Paris aus den 1970er Jahren, der mehr dem Space-Zeitalter huldigt, sowie zu den unterschiedlichen Bauphasen des ‚alten‘ Flughafens Frankfurt am Main mit ihren wechselnden Leitmetaphern sind zu ziehen.

Aber natürlich ist am Hudson River auch das insulare Nadelöhr der transatlantischen Immigration, Ellis Island, umfassend zu begehen und fotografisch zu dokumentieren. Der heterotopische Charakter dieser Transit- und Quarantänestation ist nicht nur von der Raum-, sondern auch der Erfahrungsseite her zu erfassen. Dafür sind Interviews mit den maßgeblichen Erforschern und Chronisten der Insel zu führen.

Midwest

Von New York aus sind weitere Inlandsziele zu erschließen: mit dem Southdale Center in Edina (Minn.), einer südlichen Suburb von Minneapolis, die erste voll überdachte und klimatisierte Shopping Mall Amerikas. Sie wurde vom österreichischen Emigranten und sozialen ‚Strömungstechniker‘ Victor Gruen entworfen und 1956 mit Abweichungen von dessen anspruchsvoller Ursprungskonzeption eingeweiht. Hier lässt sich die Indoor/Outdoor-Spannung studieren, die derartige Großstrukturen hinsichtlich ihrer urbanistischen, sozialen wie ökonomischen Kontextbezüge kennzeichnet. Dabei ist gerade in Southdale eine zeitliche Achse zu berücksichtigen, auf der sich die wechselhaften Konjunkturen dieses realen ‚Urtyps‘ abzeichnen.

Auch sind dabei differenzierte Vergleiche zu dessen schnell erfolgten Adaptionen nicht nur andernorts in Amerika, sondern auch vor der Frankfurter Haustür (z.B. Main-Taunus-Zentrum, 1964; Nordwestzentrum, 1968; MyZeil, 2009; Skyline Plaza, 2013) durchzuführen. Vor allem sind aber auch Rückbezüge zum Typus der (Pariser)Passage und dessen eigener Evolution herzustellen.

Westküste

Wie Shopping Malls, in ihrer zeitgemäßen Ausprägung als theme environments marketingtechnisch spezifiziert, und automobiler Straßenraum des Commercial Strip sich zueinander verhalten, soll vor allem in Los Angeles studiert werden. In LA hat die konsequente Automobilisierung kommerzieller azentrischer Zonen besonders früh eingesetzt. Sie hat eine innovative, bis heute eine immer wieder novellierte und im doppelten Sinne fantastische Roadside-Architektur hervorgebracht. Das futuristische sog. Theme Building des Los Angeles Airport (1961), schon gleich beim Anflug sichtbar, kann als einzigartige Transposition dieser im doppelten Sinne fortschrittsfixierten Architektur an den Rand des aeronautischen Raumes gelesen werden. Die im Medienverbund operierende Zeichenhaftigkeit der eigentlichen Roadside-Architektur wiederum ist auf breiter Front stadtbild- und gerade in ihrer Bildhaftigkeit stadtraumprägend geworden. Das soll vor Ort mit ausgemachten Spezialisten für diese Art von häufig durch Vernachlässigung oder Abriss bedrohte Architektur diskutiert werden.

Im Anschluss ist auch eine Begehung des ‚Ellis Island of the West‘, Angels Islands in der San Francisco Bay, zu unternehmen. Dabei wird aber gerade auf signifikante Differenzen zur Migrationsstation vor den Toren New Yorks zu achten sein. Denn soziale Funktion, baulicher Bestand und Revitalisierung bzw. Kommemoralisierung unterscheiden sich trotz grundsätzlicher Analogien – beide Male wird eine vorgelagerte Insel zur Transitstation und/oder Quarantäneenklave ausgebaut – ganz wesentlich.

Zum anderen ist auch Las Vegas zu erkunden, diese Oase in der Mojave-Wüste; sie hängt urbanistisch, ökonomisch und architektonisch eng mit entsprechenden Entwicklungen im sich suburbanisierenden Los Angeles der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und der Gegenwart zusammen. Insbesondere der Zone des ‚suburbanen Zentrums‘ des Las Vegas Strip hat besondere Aufmerksamkeit zuzukommen. Auch hier wird der genuin transitorische Straßenzug nicht nur als Raum-, sondern auch metaphorisch als Zeitachse zu betrachten sein. Der Wandel der zeichenhaften Oberflächen des Urbanen soll auch im 1999 gegründeten Las Vegas Neon Museum studiert werden, das über eine Sammlung von über 200 Leuchtpanels verfügt und sich deren Präsentation wie Erforschung verschrieben hat. Zudem ist vor Ort Kontakt zur University of Nevada, Las Vegas, aufzunehmen. Dort sind u.a. die überaus reichen Bestände der auf Architektur und Urbanismus in Las Vegas spezialisierten UNLV Architecture Studies Library systematisch punktuell auszuwerten.

Europa

Im europäischen Rahmen sind ferner punktuelle Forschungsreisen in diverse, im Projektverlauf noch näher zu bestimmende Städte, Landkreise und Regionen zu unternehmen, um ‚Flüchtlingsarchitekturen‘ und die daran geknüpften raumpolitischen Prozesse in ihrer Diversität in Augenschein zu nehmen. Durch visuelle Bestands-, aber auch weiter angesetzte Kontext- bzw. Strukturanalysen und Tiefeninterviews mit Betroffenen/Akteuren (Geflüchteten, aber etwa auch Ämter- oder Medienvertretern), die deren jeweilige kulturelle Erfahrungshorizonte und transnationale Bewegungsmuster mit reflektieren, sind hier Beobachtungen zu sammeln. Die Auswertung von kommunizierten Architektur- und Raumerfahrungen kann die soziale Dimension paradigmatischer transitorischer Räume der Gegenwart erhellen.